Gemeinde lebt von Beziehungen

Gemeinde ganz praktisch: Wie man Beziehungen in- und außerhalb einer Pandemie stärken kann, sagt Gisela Hesse in Teil 4 unserer Serie zu den Basiswerten der GGE.

Kaffee

Im Alltagsleben unserer Evangelischen Kirchengemeinde in Niederkaufungen (Landkreis Kassel) gibt es viele Möglichkeiten, sich zu begegnen und durch gemeinsames Arbeiten Beziehungen zu fördern, zu pflegen und wachsen zu lassen. Irgendwie war bis vor zwei Jahren alles so selbstverständlich: Hauskreise, Bibelgesprächs- und Musikgruppen, Alpha und „Endlich-Leben“-Kurse, Angebote für Kinder, Frauen, Trauernde und verschiedene Hilfsprojekte. Neue Kontakte wurden geknüpft, neue Leute freuten sich mitzuarbeiten und die Gemeinde zu unterstützen.

Überraschungsgäste vor der Tür

Mit einer besonderen Besuchsaktion hatten wir auch Beziehungen innerhalb der Gemeinde gestärkt, die sonst vielleicht an der Oberfläche geblieben wären. Denn ist es oft nicht so? Man kennt die anderen Gottesdienst-Teilnehmer vom Sehen, grüßt sich, aber mehr auch nicht. Freunde und Bekannte bleiben unter sich, Beziehungen zu anderen können auf diese Weise nicht wachsen. Wir bereiteten Zettel vor, auf denen man angeben konnte, ob man Gast oder Gastgeber sein wollte. Man kreuzte einen passenden Termin an und mit wie vielen Personen man kommen oder wie viele man als Gäste willkommen heißen würde. Ganz ohne Namen! So wurden die Gottesdienstbesucher zu Überraschungsgastgebern und -gästen. 

„Corona“ zwingt zum Neu-Denken

Doch mit einem Schlag war alles anders. Ganz neu mussten wir in der Coronapandemie Gemeinde denken und das, was uns lieb und teuer war, überdenken, zeitweise aufgeben und ganz neue Wege finden. Wir fragten uns: Wie können wir zu den Gemeindemitgliedern und zu den Menschen in unserem Ort Kontakt halten, ihnen zeigen, dass wir sie nicht vergessen und dass uns jeder Einzelne sehr wichtig ist?

Statt Stehkaffee gab es dann den Telefonanruf nach dem Gottesdienst: ein paar Minuten miteinander plaudern, sich gegenseitig ermutigen oder trösten. Zu Ostern und Weihnachten wurde ein Brief der Kirchengemeinde an alle Haushalte geschickt mit einer schönen Karte und ermutigenden Worten. Kleine Zeichen der Zuwendung, die oft viel Freude und Kraft gaben.

Die Hauskreistreffen, sonst in Privathäusern, waren per Zoom-Konferenz möglich. Diese Treffen machen neben den Gottesdiensten den Kern unserer Gemeinde aus. Gerade in schwierigen Zeiten geben die Gemeinschaft, die Bibelarbeit, der Austausch und das Gebet Halt. Wir sind dankbar für unsere großen Räume, in denen die Treffen jetzt stattfinden können, während gleichzeitig der äußere Abstand gewahrt wird.

Wir freuen uns darauf, wenn es einmal im Monat nach dem 11.30-Uhr-Gottesdienst wieder ein Mittagessen mit etwa hundert Leuten geben wird. Das ist immer ein wahres Event für Familien und Alleinstehende – für jeden. Es ist eine gute Möglichkeit, neue Leute einzuladen und einander in ungezwungener Atmosphäre kennenzulernen. Auch unser monatliches Café im „Lossehaus“ lädt dazu ein.

Andachten mitten im Dorf

Doch auch außergewöhnliche Zeiten geben uns die Chance, neue Möglichkeiten und Wege hin zu den Menschen in unserem Ort zu finden. Bei uns waren es Andachten am Sonntagabend an drei verschiedenen Treffpunkten mitten im Dorf – an einem schön gestalteten öffentlichen Platz, einer Seniorenwohnanlage und einem Spielplatz. So konnten Nachbarn und Freunde ganz ungezwungen eingeladen werden und Kirche von einer anderen Seite kennenlernen. Gespräche ergaben sich fast von selbst und taten allen Beteiligten gut. So sind manche Beziehungen ganz neu entstanden oder haben sich gefestigt.

Neue Aktionen im Advent gestartet

Lange schon hatte auf unserer To-do-Liste der „Lebendige Adventskalender“ gestanden. 2020 sind wir endlich gestartet – nur etwas anders, als wir es uns vorgestellt hatten, da zu dieser Zeit keine Präsenztreffen möglich waren: 24 Besuche an 24 Häusern, die an der Kalenderzahl und einem schön geschmückten und beleuchteten Fenster zu erkennen waren. Vor der Haustür stand jeweils eine Kiste, die für die Kinder Süßigkeiten, ein Puzzleteil und eine kleine Überraschung enthielt. Ab 14 Uhr gab es bei Youtube eine Geschichte zum Tag; hier wurde auch angegeben, wo das jeweilige Adventsfenster zu finden war: Jeden Tag ein kleiner Spaziergang für Kinder und Eltern, man begegnete sich auf der Straße oder kurz vor den Häusern. Ein Jahr später konnten an den vier Adventswochenenden kleine Präsenztreffen stattfinden.

Für die Adventszeit lud ein Jugend-Hauskreis zu einer Wichtelaktion in unserer Gemeinde ein. Wer sich daran beteiligen wollte, schrieb Name, Adresse und Alter auf einen Zettel und gab ihn im Gottesdienst ab. Jeder Teilnehmer bekam eine andere Person zugeteilt, für die ein Päckchen gepackt und mit Namen gekennzeichnet wurde. Der Schenker blieb anonym. Kurz vor Weihnachten waren die Wichtel unterwegs und  verteilten die Geschenke. Die jungen Leute haben mit dieser Idee viel Freude bereitet und gezeigt, dass auch kleinere Aktionen viel bewirken.

Es gibt so viele Möglichkeiten!

Denn oft sind es die kleinen Begegnungen, die Beziehungen entstehen lassen und vertiefen: ein gutes Wort und ein offenes Ohr, eine liebevolle Zuwendung. Es gibt so viele Möglichkeiten!

Gisela Hesse

Gisela Hesse ist 2. Vorsitzende des Kirchenvorstandes in der Evangelischen Kirchengemeinde Niederkaufungen (Landkreis Kassel).

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Ein Gedanke zu “Gemeinde lebt von Beziehungen

  1. Ja, es gibt so viele Möglichkeiten, und es schmerzt, sie nicht alle umsetzen zu können. Zumal die gesetzlichen Auflagen und die Vorsicht (Ungeimpfte, extrem Vorsichtige) manches erschweren. Es beginnt mit dem Eintreten vor Gott für die Nachbarn, Isolierten, die in den Krankenhäusern mit Besuchsverbot – und für die eigenen Prioritäten.
    Gott selbst ist unterwegs, wir sind Boten.

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