Leben und dienen in der Kraft des Geistes: PRAXIS will für evangelische, katholische und freikirchliche Gemeinden relevant sein. Talk zum Start unserer ökumenischen Buchreihe.

Ich begrüße euch herzlich zu unserer Talkrunde. Heute geht es um die neue Buchreihe „PRAXIS– geistesgegenwärtig glauben und leben“, deren erster Band „Segnen“ nächsten Montag, 26. Mai 2025, erscheint. Ich spreche mit vier Personen aus dem Redaktionsteam von PRAXIS:

Frauke Bielefeldt

Karl Fischer

Swen Schönheit

Jacob Wiebe
Frauke Bielefeldt ist Theologin, Autorin und Mitglied im Netzwerk Theologie der Geistlichen Gemeindeerneuerung im Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden, bei vielen als Baptisten bekannt (GGE im BEFG). Dann begrüße ich Karl Fischer, er ist katholischer Theologe und war langjähriger Geschäftsführer der Katholischen Charismatischen Erneuerung (CE), und Swen Schönheit, evangelischer Pfarrer und 1. Vorsitzender der Geistlichen Gemeinde-Erneuerung in der Evangelischen Kirche in Deutschland (GGE Deutschland). Schließlich Jacob Wiebe, Pastor einer Freien evangelischen Gemeinde (FeG) in Detmold und im Leitungsteam der Initiative GEISTbewegt im Bund FeG.
Ich bin Eva Heuser und Redaktionsleiterin der neuen Reihe.
Es klang in der Vorstellung schon an: Wir sind im Redaktionsteam von PRAXIS mit vier Erneuerungsbewegungen an Bord – aus zwei freikirchlichen Gemeindebünden (die GGE im BEFG und die Initiative GEISTbewegt im Bund FeG) sowie aus evangelischer und katholischer Kirche. Wieso eigentlich?
Swen Schönheit: Weil uns mehr verbindet, als uns trennt. Das ist nicht nur die Entdeckung der ökumenischen Bewegung seit 1945, sondern wir erleben das vor allem da, wo Menschen aus verschiedenen Traditionen sich im Geist begegnen. Das Besondere, was uns verbindet und begeistert, ist die Erfahrung mit dem Heiligen Geist.
Frauke Bielefeldt: Mich fasziniert, wie viel wir gemeinsam haben. Ich persönlich kannte die GGE in der evangelischen Kirche schon recht gut, aber die Katholische Charismatische Erneuerung fast gar nicht. Ich hatte erwartet, dass wir gemeinsame Grundlagen haben, aber im Stil sehr unterschiedlich sind – doch selbst da sind wir uns so viel ähnlicher, als ich dachte. Ich erlebe eine unglaubliche Leichtigkeit und Natürlichkeit in der Zusammenarbeit.
Karl Fischer: Wir gehen den Weg auch deshalb gemeinsam, weil wir uns mögen und teilweise schon lange kennen. Auf Vorstandsebene treffen wir uns wenigstens einmal im Jahr, um uns auszutauschen und voneinander zu lernen. Wir unterstützen uns bei Seminaren und Kongressen. Auch wenn man manchmal denkt, gerade Freikirchen und katholische Kirche wären weit auseinander, ist das aus meiner Erfahrung nicht so. Gerade in den Erneuerungsbewegungen, die der Heilige Geist seit vielen Jahren schenkt, haben wir ganz, ganz viel gemeinsam.
Es kommt also zusammen, was auch zusammengehört. Die neue Buchreihe heißt „PRAXIS“: Wie praktisch wird es da und um welche Themen wird es gehen?
Karl Fischer: Ich hoffe, es wird sehr praktisch! Wir haben ganz viele Gruppen, die manchmal ein bisschen alleingelassen sind. Katholiken hören sonntags im Gottesdienst vielleicht eine schöne Predigt, aber es fehlt vielen dann an lebenspraktischer Lehre, an Ermutigung und Anleitung: Wie kann ich mein Christsein praktisch leben? Die PRAXIS-Bücher sind da sehr hilfreich.
Brauchen katholische Christen besondere Ermutigung, weil nach dem katholischen Amtsverständnis mehr Aufgaben dem geweihten Priester vorbehalten sind?
Karl Fischer: Ja, vielerorts gibt es immer noch eine Kluft zwischen den Pfarrern und den Gemeindemitgliedern. Früher unterschied man zwischen „lehrender“ und „lernender“ Gemeinde und ich bin sehr dankbar, dass sich das auch in den offiziellen Verlautbarungen stark verändert hat, zum Beispiel 2015 im Schreiben „Gemeinsam Kirche sein“ der Deutschen Bischofskonferenz. Leider haben das viele noch nicht gelesen. Darin wird sehr unterstrichen, dass jeder Christ, jedes einzelne Kirchenmitglied von Gott begabt ist und seine Gaben in den Dienst stellen soll. Bis hin zu Leitungsgaben auch für Laien [Gläubige ohne Weiheamt, Anm. d. Red.], nicht nur für Pfarrer. Das ist wichtig zu entdecken! Dass es ein paar hauptamtliche Aktive gibt und die anderen konsumieren, müssen wir überwinden.
Swen Schönheit: In der evangelischen Kirche haben wir zwar weniger Hierarchien, sind aber traditionell immer noch sehr pastorenorientiert. Wir müssen hier dringend lernen – auch von den Freikirchen, wo Gemeinde stärker von der Gemeinde für die Gemeinde gestaltet wird. Gerade bei unserem ersten Thema „Segnen“ [das Buch erscheint am 26. Mai und kann hier bestellt werden, Anm. d. Red.] wird es konkret: Erwarte ich alles Programm „von vorn“ oder wenden wir uns als Christen wirklich einander zu und erwarten Gottes Kraft in unserer Mitte?
Das ist ein gutes Stichwort. „Segnen“, das Thema unseres ersten gemeinsamen PRAXIS-Buches, verbindet uns als Bewegungen stark. Jacob, welche Rolle spielt das Segnen bei GEISTbewegt?
Jacob Wiebe: Mit unserer JETZT-Konferenz tragen wir das Thema „Bewegt vom Heiligen Geist“ in unseren Bund FeG hinein [die nächste am 12.-13. September 2025 in Wetzlar, Anm. d. Red.]. Dort haben wir sogenannte „Ministry Times“, wo wir Menschen segnen – das ist verbunden mit einem prophetischen Dienst. Da beten Mitarbeiter, die geschult und geübt sind und gleichzeitig hören, was Gott für die Menschen bereithält. Das wird sehr, sehr gut angenommen. Manchmal sind diese Ministry Times genauso lang wie eine andere Veranstaltung während der Konferenz.
Mit den PRAXIS-Büchern wollen wir genau das: Gemeindeleitenden und Gemeindemitgliedern Handwerkszeug zur Verfügung stellen, um beispielsweise in einen solchen Dienst hineinzuwachsen. Wie läuft das bei euch im BEFG, Frauke?
Frauke Bielefeldt: In unseren GGE-Gemeinden ist das Segnungsgebet gut etabliert, sodass es zum Beispiel während der Lobpreiszeit oder nach dem Gottesdienst Beter gibt, die man ansprechen kann. Das Buch kann eine große Hilfe sein, um auch nochmal grundsätzlich über das Thema zu sprechen: Es kann ja nicht schaden, dass ein Gebetsleiter mit seinen Leuten gemeinsam überlegt, was sie beim Segnungsgebet wie tun wollen. Auch damit es für Menschen, die Gebet in Anspruch nehmen, eine gewisse Verlässlichkeit gibt.
Es klingt an, dass man beim Segnungsgebet auch Dinge falsch machen kann, zum Beispiel wenn man unsensibel mit Menschen und ihren Nöten umgeht. Vielleicht weiß man auch gar nicht, was „prophetisches Reden“, was „Hören auf Gott“ ist und wie man Gottes Stimme von anderen inneren Stimmen unterscheidet? Das PRAXIS-Buch „Segnen“ öffnet damit schon eine Tür zu möglichen Themen weiterer PRAXIS-Bücher: den Gaben des Heiligen Geistes wie prophetisches Reden, Worte der Erkenntnis und der Weisheit oder der Gabe der Krankenheilungen nach dem 1. Korintherbrief (Kap. 12, V. 4-11).
Swen Schönheit: Wir haben noch kein Curriculum für die nächsten fünf Jahre … aber uns alle in den Erneuerungsbewegungen verbindet, dass wir Gemeinden zur Praxis ermutigen wollen, die zugleich mit reflektierter Theologie unterlegt ist. Wenn das erkannte, verstandene, studierte Wort Gottes und die Praxis in der Kraft des Geistes zusammenkommen, ist das sehr wirkungsvoll. Das ist unser Markenzeichen: Wir reden weder einer „freischwebenden Spiritualität“ das Wort, noch geht es um abstrakte Schriftkenntnis. Beides – Wort und Geisterfahrung – gehören in der Praxis zusammen.
Frauke Bielefeldt: Ich erinnere mich, dass alle Stichworte, die du erwähnt hast, Eva, bei unserer ersten Redaktionssitzung auch schon gefallen sind. Da liegt noch ein großes Meer vor uns, aus dem wir schöpfen können. Die neue Reihe mit dem Thema „Segnen“ zu beginnen, finde ich sympathisch, weil man Gottes Segen jedem zusprechen kann. Gott sieht uns freundlich an, er will Gutes für jeden Menschen. „Segnen“ ist ein Einstieg für viele weitere Themen.
Jacob Wiebe: Wir können einzelne Gaben des Geistes ansprechen. Oder auch ein übergeordnetes Thema wie das „Priestertum aller Gläubigen“: Dass nicht nur der Pastor als „Performer“, sondern die ganze Gemeinde aktiv ist, wird auch in der Täuferbewegung (die dieses Jahr ihr 500-jähriges Jubiläum feiert) ganz groß geschrieben. Dadurch könnte alles andere, was wir thematisch anschneiden, im Gebilde der Gemeinde noch mehr Sinn ergeben.
Frauke Bielefeldt: Ich wünsche mir, dass auch Pastoren unsere PRAXIS-Bücher lesen. Jeder hat seinen eigenen „Style“ entwickelt und es kann den Horizont sehr erweitern, Impulse aus so vielen verschiedenen Bewegungen zu bekommen und zu merken, dass an vielen Orten Ähnliches geschieht. Die Buchreihe kann außerdem viele Anregungen bieten, um ein Thema in der Gemeinde anzupacken und sich einfach mal zu trauen.
Das Segnungsgebet ist, wie gesagt, ein Querschnittsthema unserer vier Bewegungen. Wir alle bieten es an, im Rahmen von Gottesdiensten, Seminaren, Workshops, Konferenzen. Karl, die CE ist auch auf dem Katholikentag immer mit einem Segnungsangebot vertreten. Welche Erfahrungen macht ihr?
Karl Fischer: Ja, das Angebot eines großen Segnungsgottesdienstes setzen wir immer. Wir machen, was wir sonst zu Hause auch tun: Wir nehmen uns Zeit, Gott zu loben, haben eine knackige Predigt und ein oder zwei Glaubenszeugnisse, um Menschen zu ermutigen und ihnen zu zeigen, wie Gott praktisch im Leben einer Person wirkt. Dann bieten wir Segnungsgebet mit Zweierteams an, die vorher gebrieft werden. 2024 in Erfurt hat uns dabei auch die GGE unterstützt. Wir machen die Erfahrung, dass das sehr, sehr gut angenommen wird: Man hat das Gefühl, die ganze Kirche lässt sich segnen! Die Besucher gehen einzeln zu den Teams hin und empfangen ein zwei bis drei Minuten langes Gebet; sie können ihr Anliegen nennen oder auch still kommen. Wir sehen, dass das Segnungsangebot auch in anderen Bereichen der katholischen Kirche aufgegriffen wird, zum Beispiel bei „Nightfever“ – einem offenen Gebetsabend in Großstadtkirchen, wo oft Einzelne draußen stehen und Menschen in die Kirche einladen. Das freut uns.
Das bedeutet ja, dass man mit einem Segnungsangebot auch Leute erreicht, die noch am Rand stehen oder sich noch nicht richtig auf Gott eingelassen haben. „Segnen“ ist also auch ein Thema, das nach außen wirkt. Swen, welche Erfahrungen hast du in der evangelischen Kirche gemacht?
Swen Schönheit: Unsere Kirchengemeinden sind oft unbeholfen, was wirkliche geistliche Praxis angeht, und brauchen Ermutigung. Ich glaube, auch gesellschaftlich gibt es eine große Sehnsucht nach Berührung – bei aller Vorsicht („komm mir nicht zu nahe“). Das nur verstandesmäßig Erkannte greift nicht mehr, sondern nur noch, was mich innerlich berührt. Wir haben in vielen Glaubenskursen in der Kirchengemeinde erlebt, dass Menschen, die die Basics des Glaubens noch gar nicht zu Ende durchdacht hatten, trotzdem an den Punkt kamen, wo sie für sich beten ließen. Und sie spürten, dass Gott wirklich real, erfahrbar, ihnen nahe und für sie ist. Diese Räume der Begegnung und Erfahrung herzustellen, ist der eigentliche Zielpunkt beim Thema „Segnen“.
Gott auf eine solche Weise zu erfahren könnte für den heutigen Menschen ja immer wichtiger sein, weil der Glaube aus Überlieferung und traditionellen Hintergründen immer mehr schwindet.
Frauke Bielefeldt: Ich erlebe es auch so; Menschen können viele Vorbehalte gegenüber Religion haben, aber wenn man sie fragt, „darf ich dich segnen?“, sagt fast keiner Nein. Es ist ihnen klar, dass das nicht schaden kann. Und weil unser Gott lebendig ist, kann das Segnen ein Einstiegspunkt für Menschen auf ihrem Weg zu Gott sein. Sie spüren, dass es ihnen wohltut und nichts „Komisches“ ist.
Wir freuen uns auf das PRAXIS-Buch „Segnen“ nächste Woche! Danke an euch alle für das Gespräch.