Auf den Spuren von Jesus und seinen Jüngern hat Dietrich Sprenger Ausgrabungsplätze in Israel besucht.

Mein jüngster Besuch in Israel im Oktober war so spannend, wie ich es selten erlebt habe – auch verursacht durch die Lage im Land, so kurz nach der Freilassung der letzten israelischen Geiseln aus dem Gaza-Streifen. Doch darum soll es mir heute nicht gehen: Denn mit meiner kleinen Reisegruppe habe ich mich beim Besuch mehrerer Ausgrabungsstätten ganz dicht auf den Spuren Jesu bewegt. Zwei Orte waren aufgrund ganz neuer archäologischer Entdeckungen geradezu spektakulär.
Die Größe und Pracht des Teiches Siloah
Wer sich in der Davidsstadt in Jerusalem auskennt, hat wahrscheinlich schon einmal den mehr als 2700 Jahre alten Hiskia-Tunnel besucht, der auf den alttestamentlichen König Hiskia zurückgeht (vgl. 2. Buch der Chronik, Kap. 32, V. 30): Nach rund 530 Metern Weg durch diesen engen, wasserführenden Stollen (ein Video vom gesamten Tunnel hier) kommt man zum antiken Teich Siloah, von dem bisher aber nicht viel zu erkennen war: Dort gab es nur ein paar Stufen, eine Mauer mit Garten und Bäumen. Fast langweilig.

Stufen, Mauer, Garten: So sah es bis vor Kurzem dort aus, wo zur Zeit Jesu der Teich Siloah war.
Doch jetzt eröffnen sich dort tolle Perspektiven: Die Griechisch-Orthodoxen haben den Garten freigegeben, die Archäologen legen unter einem riesigen Zelt gerade das große Becken des Teiches frei. Wir konnten sehen, wie die Ausgräber Eimer um Eimer mit Erde und Steinen füllten und abtransportieren, und erhielten einen sichtbaren Eindruck von der Größe und der Pracht des Teiches Siloah, der die antike Stadt Davids mit Wasser versorgte.

Unter einem großen Zelt wird derzeit das große Becken des Teiches Siloah freigelegt.
Vom Teich Siloah ist in der Bibel öfters die Rede: Dorthin schickte Jesus einen Blinden, um sich zu waschen, und er kam sehend wieder (Johannesevangelium, Kap. 9, V. 7). Noch entscheidender aber ist, dass es vom Teich Siloah eine Verbindung gibt zu dem Ort, wo Jesus mit seinen Jüngern das Letzte Abendmahl feierte. Der Evangelist Markus berichtet uns (Kap. 14,12-16), dass die Jünger Jesus fragten, wo er das Passahmahl feiern wolle. Er schickte sie nach Jerusalem. Sie sollten dort einem Mann folgen, der vom Wasserholen am Teich Siloah einen Wasserkrug trug; in dem Haus, das er betrat, würde die Passahfeier stattfinden. Kein Mann trug damals in Israel einen Wasserkrug, das war normalerweise Frauenarbeit. Er musste also zu einer Art Männerorden gehören – den sogenannten Essenern. Dort also wollte Jesus im Jahr 30 das Passahmahl feiern.
Schon lange war mir bekannt, dass es in Jerusalem, nahe der heutigen benediktinischen Dormitio-Abtei auf dem Zionsberg, ein Quartier der Essener mit einem Gästehaus gegeben hatte. Als ich 1979 das erste Mal mit einem Freund in Jerusalem war, zeigte uns Bargil Pixner, Benediktinerpater und Experte für biblische Archäologie, eine Ausgrabungsstätte neben dem alten protestantischen Friedhof: Er war sicher, dort die Schwelle eines Tores zum Essenerquartier gefunden zu haben. Andere Wissenschaftler lachten ihn eher aus und die Ausgrabungsstätte geriet fast in Vergessenheit, bis Archäologen in den letzten Jahren hier neu gruben und mehrere „Migwen“ (Reinigungsbäder) sowie ein weiteres Tor fanden. Sie gruben auch Bargils Pixners Schwelle neu aus und untersuchten sie. Führende Wissenschaftler bestätigten die Existenz eines Essenerquartiers auf dem Berg Zion. Das bedeutet: Jesus hatte zu den Essenern eine gewisse Nähe und feierte deswegen das Passahfest, das Letzte Abendmahl bei ihnen.

Ein altes Tor der Essener, neu entdeckt.
Wo Petrus und Andreas geboren wurden
Unsere nächste Station: Tabgha am See Genezareth. Auch dort haben Archäologen in den letzten Jahren neu gegraben – und offenbar die Stadt Bethsaida am Meer (gemeint ist das „galiläische Meer“ oder der See Genezareth), den Geburtsort der Jesusjünger Petrus und Andreas (vgl. Johannesevangelium, Kap. 1, V. 44) lokalisiert. Freigelegt wurden Reste einer Kirche mit einem Mosaik, auf dem steht: „Leiter der Apostel und Inhaber der Schlüssel zum Himmel“. Es gibt kaum einen Zweifel: Die Archäologen haben damit den Geburtsort, wenn nicht sogar die Fundamente des Geburtshauses von Petrus und Andreas gefunden. Denn die Christen versuchten in den ersten Jahrhunderten häufig, Orte von großer Bedeutung zu bewahren, und das geschah meist in Form eines Kirchenbaus.

Ein T-Shirt zeigt einen Teil des in Bethsaida gefundenen Mosaiks.
Just in dem Moment, als wir dort waren, jubelte die ganze Mannschaft der Ausgräber über den Fund einer Goldmünze! Ein solcher Fund ist besonders, weil er Aufschluss gibt über Zeit und Umstände der damaligen Zeit. Er wird sorgfältig dokumentiert und aufbewahrt – nicht einmal ein Foto durften wir machen … Umso mehr freue ich mich jetzt auf unsere große Pilger- und Entdeckungsreise „Auf den Spuren Jesu“ im Herbst 2026. Denn wenn du jemanden wirklich kennenlernen willst, musst du dahin gehen, wo er gelebt hat.

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