Ja, es ist Liebe!

Hast du auch unerfüllte (geistliche) Träume? Gerade wenn Liebe auf Ernüchterung trifft (und umgekehrt), geht Gott mit uns in die Tiefe. Frank Hirschmann hat das in Bezug auf seine Gemeinde erlebt.

Blick in einen Altarraum

„Ist es Liebe?“, fragt Tevje im Musical „Anatevka“ seine Frau. Und ich? Wie ist es bei mir in Bezug auf die Gemeinde? Ich bin als Pfarrer in Gemeinden gegangen, um Erneuerung hineinzutragen. Charismen, Lobpreis, geistliches Leben – so wie ich mir das vorgestellt habe.

Ich frage mich: Was habe ich bewegt?

Ich bin nun seit 13 Jahren in „meiner“ jetzigen Gemeinde: Was habe ich bewegt, was nach vorne gebracht? Wie viel an charismatischem Aufbruch und Erneuern ist geworden?

Haben wir Lobpreisgottesdienst, dann halten die Kirchenbänke die Gottesdienstbesucher fest. Die Schwerkraft hält die Arme häufig unten. Kein Sprachengesang erfüllt den sonntäglichen Lobpreis. Manchmal gibt es einen Eindruck. Manchmal ermöglichen wir Raum für Zeugnisse. Mindestens einmal, eher mehrmals im Monat nach dem Gottesdienst laden wir zur persönlichen Segnung ein.

Ich hatte mir das anders vorgestellt …

Meine Vorstellung, mein Traum war anders. Mein Gebet zu Gott ist daher auch: „Wieso geschieht hier so wenig? Wieso gibt es so wenig Freiheit im Geist? Bin ich hier richtig?“

Gott antwortet mir: „Habe ich dich nicht in diese Gemeinde gestellt? Glaubst du, ich mache einen Fehler? Ich kenne deine Gaben und deine Schwächen.“

Gott geht mit mir tiefer als meine Wünsche

Was also will ich? Meine geistlichen Träume verwirklichen? Oder bin ich bereit, auf Gott zu hören, und „meine“ Gemeinde von ihm her zu sehen? Bin ich bereit, dankbar zu sein für die kostbaren, so unterschiedlichen Menschen mit ihren Geschichten, Begrenzungen und ihrer unterschiedlichen Frömmigkeit?

Und ja, der Lobpreis ist in der Gemeinde nicht verstummt. Es gibt in diesen 13 Jahren einmal monatlich am Sonntagmorgen einen Lobpreisgottesdienst. Und ja, Eindrücke sind möglich. Zeugnisse auch. Geistliche Gaben hätten durchaus ihren Raum. Auch die Liturgie hat ihren Raum.

Kann es sein, dass mich Gott in diese Gemeinde gestellt hat, damit die Quellen nicht versiegen? Sie sprudeln nicht üppig. Aber dennoch ist etwas da.

Und ja – es ist Liebe

Auf meinem Herzen ist es, die Menschen in der Gemeinde in ihrer Unterschiedlichkeit zu achten, sie zu ehren und ernst zu nehmen. Niemanden hinauszudrängen. Immer mit dem Gebet im Herzen, dass der Heilige Geist Raum nimmt.

Ist das Liebe? „Ja, Tevje, das ist Liebe“ – antworte ich mit „Anatevka“. Es ist Liebe für die Menschen. Liebe zum Dreieinigen Gott. Liebe zu dem Dienst, zu dem er mich berufen hat, mit meinen Gaben und Begrenzungen.

Ich werde keiner Megagemeinde vorstehen. Ich habe bisher keine vorzeigbaren Aufbrüche erlebt. Aber ich bin dankbar dafür, dass Gott diesen wunderbaren Menschen in der Gemeinde dient – auf seine Weise. Gerade da, wo ich es nicht sehe. Gott geht seine Wege, nicht meine. Er sieht die Menschen, die da sind. Die kommen. Die sich auf ihre Weise nach ihm ausstrecken und empfangen.

Ist es Liebe? Es ist Liebe – die Liebe Gottes, die „ausgegossen (ist) in unsere Herzen durch den Heiligen Geist“ (Römerbrief, Kap. 5, V. 5).

Immer wieder halte ich mich ihm hin

Ja, ich gehe immer wieder in Gottes Gegenwart, suche seine Nähe und höre auf sein Reden. Ich brauche das, mich ihm hinzuhalten mit dem, was ich gern hätte, um dann von ihm seine Gedanken zu hören und zu sehen, wie er die Gemeinde sieht. Nur das tut gut, weil es mich an sein Herz zieht und es mir genug sein lässt. Denn auf seinen Willen kommt es an. Zu empfangen, was er will, um dann in Freude den eigenen Platz auszufüllen.

Es ist nicht immer leicht, mich selbst mit meinen Wünschen ans Kreuz zu geben. Aber es ist befreiend, da hindurchzugehen – damit ich nicht mich selbst lebe, sondern ihm vertraue: Denn Gottes Geist wird auf seine Weise wehen und wirken und immer wieder seinen Kairos, seinen göttlichen Zeitpunkt schenken.


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Frank Hirschmann

Frank Hirschmann ist Pfarrer in Görlitz und Beauftragter für Polizei- und Notfallseelsorge. Er gehört dem Vorstand der GGE an.

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2 Gedanken zu “Ja, es ist Liebe!

  1. „Haben wir Lobpreisgottesdienst, dann halten die Kirchenbänke die Gottesdienstbesucher fest. Die Schwerkraft hält die Arme häufig unten. Kein Sprachengesang erfüllt den sonntäglichen Lobpreis. Manchmal gibt es einen Eindruck.“

    Die Frage ist ja immer, was man erwartet. Bedeutet „charismatisch“ unbedingt, dass jeder beim Lobpreis die Arme heben muss? Dass jeder in Sprachen beten muss? Dass jeder einen Eindruck hat? Paulus verneint das in 1.Korinther 12,30.

    Es ist zudem auch nicht jeder Mensch „euphorisch“ und „extrovertiert“ und geht gefühlsmäßig „aus sich heraus“. Das ist einmal eine Frage der individuellen Wesensart, aber wohl auch unserer westlichen (speziell der deutschen) Mentalität, die im Vergleich zu anderen Ländern halt eher „nüchtern“ ist. Aber bedeutet das, dass man deswegen weniger „charismatisch“ ist in dem Sinne, dass man sich nach den Gnadengaben ausstreckt oder weniger dafür geeignet wäre?

    „Manchmal ermöglichen wir Raum für Zeugnisse. Mindestens einmal, eher mehrmals im Monat nach dem Gottesdienst laden wir zur persönlichen Segnung ein.“

    Raum zum Zeugnisgeben und zum Weitergeben von Eindrücken sowie die Gelegenheit für sich beten zu lassen gibt es bei uns in jedem Gottesdienst und wird auch gerne genutzt. Ich finde das immer sehr ermutigend, und auch die Kids gehen erst nach dem Zeugnisteil in ihren Kindergottesdienst, weil sie das nicht verpassen wollen.

  2. Lieber Herr Hirschmann,
    das ist ein sehr ermutigender Beitrag. Sie sprechen mir aus der Seele, denn mir geht’s genauso in meiner Gemeinde. Ich bin keine Pfarrerin, sondern ein ganz normales Gemeindemitglied, das sich mehr vom Heiligen Geist in der Gemeinde wünscht. Froh und dankbar bin ich für alles, was Gott bereits in meiner Gemeinde getan hat und tut. Und ich mache mir Ihre Worte zu eigen, dass ich vielleicht auch dazu dort hingestellt wurde, damit „die Quelle nicht versiegt“. Erfüllt mit allem, was ich in und mit der GGE erleben darf, tut mir auch Ihr Beitrag hier im Blog richtig gut. Vielen Dank dafür und liebe Grüße
    Martina Froidevaux

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