An den Altären, Orten jahrhundertelanger Anbetung, wird sich die Kirche sammeln – und neu erfinden, sagt Holger Bartsch. Doch dafür muss sie das Frühere endlich loslassen und offen sein für Gottes Neues.
In meinen ersten Jahren als Jugendpfarrer wollte ich gerne einen Aufbruch unter jungen Menschen erleben. Eine Erweckung, wie ich sie vor etlichen Jahren schon einmal erlebt hatte. Das konnte nicht gutgehen: Vergangene Erfahrungen verklärten sich zu einem Erwartungsbild an Gott. Das ist im Grunde Götzendienst. Ich investierte meine Energie ohne viel Nutzen, ging vorbei an dem, wie Gott heute junge Menschen in meinem Umfeld ruft. Da half nur Umkehr und Vergebung. Das schaffte Raum für neues Vertrauen. Gottes Kraft gewann die Oberhand.
Ist meine Kirche heute in einer ähnlichen Situation?
Das innere Bild von Gemeinde am Ort ist in Jahrhunderten geprägt worden. Gebannt schauen wir auf schwindende Zahlen (die ja das geprägte Bild sichern). Was muss gerettet werden? Worauf kann vor Ort gar nicht verzichtet werden? So oder so ähnlich lauten die Fragen, die uns umtreiben. Sie verstellen uns den Blick auf das, was Gott heute Neues tut. Wir bekommen nicht mit, wie Gott heute handelt.
Der Altar als Ort der Anbetung gewinnt an Kraft
In Chemnitz und Umgebung hatte ich öfters Gelegenheit, mit Jugendlichen an Altären zu stehen und zu beten. Besonders an Orten, an denen seit der Besiedlung im 12. und 13. Jahrhundert durchgehend gebetet wurde, spürte ich eine besondere Atmosphäre – in Verbundenheit mit dem Himmel und mit Generationen von Anbetern.
Heute werden an vielen Altären zunehmend weniger Gottesdienste von Pfarrern und Prädikanten gefeiert. Kirche in ihrer Form als öffentlich-rechtliche Institution wandert infolge Mitgliederschwund in die Region ab. Der Altar als Ort der Anbetung Jesu Christi am Wohnort der Menschen scheint zurückzubleiben. Nein, er bleibt nicht zurück: Seine ursprüngliche Bedeutung gewinnt an Kraft.
Der Kern von Kirche vor Ort sind Menschen, die der Ort der Anbetung inmitten einer säkularen und bei uns in Sachsen oft atheistischen Umgebung sammelt. Sie ehren Christus unter Menschen, die ihn vergessen haben oder vergessen wollen. Sie richten sich selber an Christus aus. Sie erkennen Christus an als Mittelpunkt ihrer Welt und als kommenden Erlöser. Sie beten für ihre Mitmenschen.
Kirche muss sich vom geprägten Gemeindebild lösen
Doch wer darf den Sammlungsort der Anbetung vor Ort beleben? Was wächst ohne institutionellen Impuls? Wieviel Raum bleibt initiativen Menschen?
Ich beobachte, dass solche Fragen derzeit keine Rolle spielen. Das geprägte Bild von Gemeinde hindert uns zu sehen, was von unten aufwächst. Die Gemeinde als Basisnetzwerk bleibt hinter ihren Möglichkeiten zurück. Da hilft nur Umkehr und Vergebung – damit neues Vertrauen in Gott und seine Kraft wachsen kann! Denn am Sammlungsort der Anbetung Christi wird sich die Kirche für die heutige Zeit neu erfinden.
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Ein sehr ermutigender Beitrag, die Sichtweise zu ändern und Depression/Resignation/Frust hinsichtlich des scheinbar zerfallenden Gemeindelebens durch den Blick auf Jesus und SEINE Anbetung zu überwinden. Das geht mit innerer Umkehr und neue gewonnener Freiheit durch das Erfahren von Jesu Liebe und Größe einher. Dann ist der Boden bereitet, Gottes neues Wirken zu erkennen und an SEINEN vorbereiteten Werken mitzuwirken. Wobei es zu allen Zeiten so war, dass man dabei sein Stück weit seine Komfortzone oder das sichere Boot verlassen muss, um Jesus auf dem Wasser entgegen zu gehen. Bin ich/sind wir dazu bereit? Sylvia Tiesies