Wie wird echte Hoffnung sichtbar – an mir und durch mich?

Leben mit Blick auf Christus, den Auferstandenen, den Gegenwärtigen: So können wir als Kirche zu einer „Kolonie der Hoffnung“ werden. Bonhoeffer hat unter widrigsten Umständen gezeigt, wie das aussehen kann. Ein Impuls von Christian Wolfram.

Kerze im Spiegel

Überzeugend glaubwürdige Hoffnungsträger sein – das ist die Vision, die der Schweizer Theologe Oliver Dürr vom Zentrum Glaube & Gesellschaft (Universität Freiburg, Schweiz) für die Kirche hat. Auf dem Christlichen Convent Deutschland 2022 hat er sie mit großer Resonanz präsentiert, nachzulesen in der GGE-Zeitschrift GEISTESGEGENWÄRTIG (3/2022), S. 20-24.

Oliver Dürr hat recht: In der Tat blicken viele unserer Zeitgenossen entweder mit einem utopischen Glauben an die menschlichen Möglichkeiten oder mit fatalistischem Pessimismus in die Zukunft. Beides zerstört die Erde und unser Zusammenleben. Und wahrscheinlich gibt es noch eine dritte, mindestens ebenso fatale Haltung: Ignoranz. „Interessiert mich nicht. Hauptsache, mir geht es gut und ich habe alles, was ich brauche.“ So wie ich kürzlich auf einem Wohnmobil las: „Lasst uns verreisen vor dem Sterben, denn sonst verreisen unsre Erben.“ Na dann, gute Fahrt!

Demgegenüber entwickelte Oliver Dürr die Vision einer Kirche als „Kolonie der Hoffnung“, in der Menschen aus der lebendigen Verbindung mit dem lebendig gegenwärtigen Gott leben. Dem Gott, der uns in Jesus Christus das Reich Gottes präsentiert hat. Das bereits da ist, das wächst und zukünftig alle Macht haben wird.

Nur: Wie können wir bloß diese echte, tragfähige Hoffnung sichtbar machen?

Nun, das alles überragende Vorbild ist Jesus. Es hat eine Weile gedauert, aber dann erkannte beispielsweise ein Johannes, dass dieser Zimmermannssohn aus Nazareth die „Herrlichkeit … des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit“ (Johannesevangelium, Kap. 1, V. 14) war und ist. Andere erkannten es auch.

Zeitlich etwas näher ist Dietrich Bonhoeffer. Payne Best, ein Mitgefangener in dessen letzten Wochen und Tagen, schrieb: „Bonhoeffer schien mir immer eine Atmosphäre von Glück und Freude über jedes geringste Lebensereignis und von tiefer Dankbarkeit für die bloße Tatsache zu verbreiten, dass er lebendig war. Er war einer der sehr wenigen Menschen, die ich jemals getroffen habe, für die Gott wirklich und immer nahe war.“

Was für ein Hoffnungszeugnis! Egal wie die Umstände waren – hier wusste sich einer in der Gegenwart Gottes und seines auferstandenen Christus und lebte danach in allem, was ihm begegnete. Andere sagten, er träte aus seiner Zelle „wie ein Gutsherr aus seinem Schloß [!]“. Er spräche mit seinen Bewachern „frei und freundlich und klar“, als hätte er „zu gebieten“. Als trüge er „die Tage des Unglücks gleichmütig, lächelnd und stolz, wie einer, der Siegen gewohnt“ sei (im Gedicht Wer bin ich?). Und welche Autorität wuchs ihm da zu! „Ich habe schon ein paar Mal Leute, die sich nur die geringste Ungezogenheit erlaubten, kolossal angepfiffen, sodaß [!] sie ganz verdutzt und von da an völlig in Ordnung waren …“, schrieb Bonhoeffer am 22. November 1943 an Eberhard Bethge – um „völlig wehrlose“ Mitgefangene zu verteidigen, die „ungerecht angebrüllt und beschimpft” wurden (in Widerstand und Ergebung). So wächst Reich Gottes! 

Jesus oder Dietrich Bonhoeffer lassen sich natürlich nicht einfach imitieren – das sollen wir auch nicht. Unsere Umstände sind ja auch andere! Aber leben mit Blick auf den auferstandenen, gegenwärtigen Christus und mit der Hoffnung auf das Reich Gottes – ich glaube, das geht immer.


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Christian Wolfram

Christian Wolfram ist Pfarrer i.R. der Ev.-Luth. Kirche in Bayern und 2. Vorsitzender der GGE Nordbayern.

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