Was ist eigentlich Fronleichnam?



In vielen Dörfern und Städten ziehen katholische Gläubige heute mit einer prachtvollen Prozession durch den Ort.
Karl Fischer erklärt uns, was es damit auf sich hat.

In sechs Bundesländern (und manchen überwiegend katholischen Regionen in Sachsen und Thüringen) ist Fronleichnam ein gesetzlicher Feiertag. Vielerorts werden Festgottesdienste im Freien gefeiert, häufig ziehen katholische Christen anschließend in einer Prozession durch die Straßen, bei der ein Priester oder Diakon eine prächtig verzierte Monstranz trägt, in deren zentralem runden Fenster eine geweihte Hostie zu sehen ist. Blumen und Zweige, Fahnen und Teppiche schmücken den Weg – an verschiedenen Orten hat sich eine ganz eigene Festtradition herausgebildet. 

Karl Fischer ist katholischer Theologe, Mitglied in der Redaktion unserer neuen ökumenischen Buchreihe PRAXIS – geistesgegenwärtig glauben und leben und war viele Jahre Geschäftsführer der Katholischen Charismatischen Erneuerung. Für ihn verbindet sich mit Fronleichnam auch persönlich eine Bedeutung. 

______________________________________

„Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, hat das ewige Leben und ich werde ihn auferwecken am Jüngsten Tag. Denn mein Fleisch ist wahrhaft eine Speise und mein Blut ist wahrhaft ein Trank. Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, der bleibt in mir und ich bleibe in ihm.“ Jesus im Johannesevangelium (Kap. 6, V. 54-56)

Es gibt verschiedene Weisen, unsere Beziehung mit Jesus zu leben, zu erleben und zu vertiefen. Mir ist ein Vers aus der Apostelgeschichte wichtig geworden: „Sie hielten an der Lehre der Apostel fest und an der Gemeinschaft, am Brechen des Brotes und an den Gebeten“ (Kap. 2, V. 42). Meine Beziehung zu Jesus wächst durch die Lehre der Apostel, das Wort Gottes, die Bibel. Er begegnet mir in der Gemeinschaft, im Bruder und der Schwester. Er begegnet mir sehr konkret, anfassbar, leibhaftig im Brechen des Brotes – im Mahl des Herrn, das Katholiken auch „Eucharistie“ nennen (das heißt „Danksagung“). Ich erlebe Jesus außerdem in meinem Beten, im Reden und Hören auf ihn, im schweigenden Dasein vor ihm oder wenn ich ihm beim morgendlichen Spaziergang mit unserem Hund Lobpreislieder singe …

Die Nähe Gottes in der Eucharistie gab mir Trost und Kraft

Zu manchen Zeiten ist mir die eine oder die andere Weise der Begegnung mit Jesus eine besondere Hilfe. Ich erinnere mich: Als ich mich längere Zeit sehr am Boden fühlte, weil eine Beziehung, in der ich gelebt hatte, zerbrochen war, war es mir fast unmöglich die Bibel zu lesen und zu beten. Doch das Hintreten und Empfangen der Eucharistie beim Sonntagsgottesdienst war für mich in dieser Zeit eine große Stärkung, gab mir Trost und Kraft. Es half mir daran festzuhalten: Gott hatte mich nicht verlassen, er war und ist bei mir.

Was hat diese Erfahrung nun mit Fronleichnam zu tun? 

Wir feiern die Gegenwart Christi in Brot und Wein

Fronleichnam ist das Fest des Leibes und Blutes Christi und erinnert an die Gegenwart Christi im geweihten Brot und im Wein. Der Begriff stammt ursprünglich aus dem Mittelhochdeutschen und bezeichnet den lebendigen Leib des Herrn: „vrôn“ bedeutet „Herr“, „lîchnam“ meint den Leib Christi. Im Mittelpunkt dieses Hochfestes steht das eucharistische Brot, für die Katholiken ein Realsymbol für die Gegenwart Christi

Die Entstehung dieses Festes, das die katholische Kirche immer zehn Tage nach Pfingsten feiert, geht auf eine Vision der belgischen Augustiner-Chorfrau Juliana von Lüttich seit dem Jahr 1209 zurück. Sie sah im Gebet mehrfach den Mond mit einem dunklen Fleck. Dieser Fleck wurde als Symbol für das fehlende Fest zur Verehrung der heiligen Hostie gedeutet. 1246 wurde das erste Fronleichnamsfest in der Diözese Lüttich gefeiert, Papst Urban IV. führte es 1264 als Fest für die ganze Kirche ein.

Jesus ist mittendrin – in unserer Welt und unserem Alltag

An Fronleichnam wird das geweihte Brot in einer Monstranz (dem „Zeigegefäß“) durch die Straßen der Städte und Dörfer getragen: Man will damit zeigen, dass Jesus nicht nur in den Herzen der Gläubigen und in den Kirchen, sondern in unserer Welt, in unserem normalen Alltag gegenwärtig ist – und dass ihm die ganze Welt gehört und jeder Mensch diese Wahrheit erfahren soll. Man kann überlegen, ob das noch eine zeitgemäße Form des Zeugnisses ist und ob tatsächlich Menschen, die nicht an Jesus glauben, heute dadurch zum Glauben eingeladen werden. 

Aber vielleicht kann Fronleichnam eine Einladung und Erinnerung für uns Christen sein, dass wir ein Zeugnis für Jesus an allen Orten sind, an die wir kommen. Denn die wichtigste „Monstranz“ für die Menschen um uns herum, das sind wir: Menschen, die mit ganzem Herzen aus der Beziehung mit Jesus leben und diese Beziehung nicht vor anderen verborgen halten, sondern mit Tat und Wort davon Zeugnis geben.

Karl Fischer

Karl Fischer ist katholischer Theologe und Mitglied in der Redaktion von PRAXIS – geistesgegenwärtig glauben und leben. Er war langjähriger Geschäftsführer der Katholischen Charismatischen Erneuerung.

Alle Beiträge ansehen von Karl Fischer →

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Cookie Consent mit Real Cookie Banner