Statt Anmaßung: Maß halten!

Zuerst kommen die innige Gemeinschaft mit Jesus und Demut, dann erst das vollmächtige Gebet – wenn es dran ist. Frank Hirschmann zur Mäßigung als einer unverzichtbaren Tugend für charismatische Christen.

Ist es nicht wunderbar, als geistbegabter Christ unterwegs zu sein? Über Jim Carrey als „Bruce allmächtig“ konnte der lachen, der die Komödie gleichen Titels gesehen hat. Da ist doch mehr drin, als nur die Suppe im Teller zu teilen. In Christus bin ich bevollmächtigt Dämonen auszutreiben, zu heilen, prophetisch zu reden und mit Autorität zu handeln wie zu reden.

Ist wirklich alles „verfügbar“?

Ist da was dran? Ja, schon. Aber um wen oder was geht es denn? Um mich? Um die Menschen? Um Christus? Manchmal werde ich das Gefühl nicht los, „charismatisch“ zu sein hieße, theologisch im „Es-ist-vollbracht“ zu leben – im Sinne von „von Gott her steht mir alles zur Verfügung“. Nicht mehr zu bitten, denn das sei falscher Glaube. Im Philipperbrief heißt es aber: „Sorgt euch um nichts, sondern bringt in jeder Lage betend und flehend eure Bitten mit Dank vor Gott!“ (Kap. 4, V. 6).

Für 2023 gibt es schon die Losungen und es kommen die ersten prophetischen Worte für das kommende Jahr. Ersehnt, geglaubt, wegweisend. Aber als Seelsorger sehe ich verletzte Seelen, enttäuschte Christen, übersteigerte „Sendungsbewusstler“. Wenn ich in meine Bibel schaue, dann sagt Jesus am Kreuz, „es ist vollbracht“ – und das stimmt, sein Kommen in die Welt, seinen Auftrag hat er vollbracht. Am Kreuz sind der Tod und der Feind besiegt und ist die Vergebung ermöglicht. An Pfingsten ist der Heilige Geist ausgegossen worden und die Nachfolger Jesu sind beauftragt, seine Zeugen zu sein.

Unser Auftrag heißt zuerst: in Christus bleiben

Aber vor allem sind wir beauftragt, in Christus zu bleiben wie er in uns. Da geht es in erster Linie um Beziehungspflege, um die innige Gemeinschaft. Darum, Jesu Demut zu lernen: „Der Sohn kann nichts von sich aus tun, sondern nur, wenn er den Vater etwas tun sieht“ (Johannesevangelium, Kap. 5, V. 19). Ohne den Vater konnte er nichts tun. Jesu Nachfolgern steht es gut an, aus der Anmaßung herauszukommen, die ihrer Meinung nach „größeren Werke“ tun zu können (vgl. Johannesevangelium, Kap. 14, V. 12), und stattdessen hineinzukommen in die Mäßigung. Ins Maßhalten – denn das Reich Gottes ist in Christus angebrochen, aber noch nicht vollendet. Wir leben im „Schon-jetzt-und-noch-nicht“, auch wenn das manche für falschen Glauben halten oder es als geistlich unreif gilt. Mäßigung kann eine geistliche Tugend sein, die uns Christen gut ansteht.

Hören, empfangen – nicht vorschnell handeln

Ja, ich will hören, „wie ein Jünger hört“ (Jesaja, Kap. 50, V. 4), und ich will tun, was ich empfange. Das kann ja ein prophetisches Wort sein, das ich an der Schrift prüfe oder zur Prüfung vorlege. Oder für Heilung zu beten, im Wissen, dass Gott heilt. Oder auch einen Befreiungsdienst zu tun, wenn ich dabei meine Autorität nicht überschreite.

Gleichzeitig kann und will ich nicht größer sein als der Meister. Gleichzeitig will ich anerkennen, dass Gott handelt und entscheidet, was er auch durch mich tut und was nicht. Dieses Maß will ich lernen zu halten und auszuhalten.

Manchmal sind wir zu schnell dabei zu „gebieten“, ein Heilungsgebet zu sprechen, zu „widerstehen“, wo Jesus einen Heilungsprozess geht oder wo Gott etwas sagen will. Ein Trauma zum Beispiel kann nicht einfach weggebetet werden. Ja, das Reich Gottes ist mitten unter uns, aber es ist Christus. Das sagt er von sich: In ihm ist das Reich mitten unter uns. Es geht immer um ihn und nur mit ihm und durch ihn – und er hat seine Wege.


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Frank Hirschmann

Frank Hirschmann ist Pfarrer in Görlitz und Beauftragter für Polizei- und Notfallseelsorge. Er gehört dem Vorstand der GGE an.

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2 Gedanken zu “Statt Anmaßung: Maß halten!

  1. So wahr und so wohltuend.
    Die „name it and claim it“ und „health and wealth“ Vertreter unter den Charismatikern haben so viel Unwahrhaftiges hervorgebracht und Enttäuschte und Verletzte zurück gelassen. Maß halten, sich selbst zurücknehmen, Demut üben und sich unter die Souveränität Gottes stellen (let go, let God!) sind mehr denn je angesagt und nötig – und heilsam.

    1. Liebe Hanna Mongan,

      danke für Ihren Kommentar. Wir können ja von zwei Seiten vom Pferd fallen. Durch gemachte Erfahrungen von Enttäuschung und Verletzung kann ich dazu kommen, nicht mehr für Heilung oder Befreiung, Lösung von Bindungen usw. zu beten. Kann ich dazu kommen, für die Gaben, mit denen der Heilige Geist auch mich gebrauchen möchte, nicht mehr offen zu sein. Maß halten darf dann nicht selbst kontrolliert sein, im Sinne von Kontrolle über den Heiligen Geist. Was aber in meiner Verantwortung ist, ist die Selbstreflexion und die Bereitschaft für Korrektur und immer wieder das genaue Hinsehen auf die Schrift. Der Heilige Geist und die Schrift. Also das Aufnehmen, was durch die Schrift bezeugt ist in doppelter Verantwortung, die vor Gott und vor den Menschen.

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