Wie ich (mal eben) ein Kloster gründe

Pfarrer Helmut Kautz hat mit seiner Frau Almut „ganz weit draußen“ eine christliche Gemeinschaft ins Leben gerufen. Für alle, die das nachmachen wollen, hier sein (augenzwinkerndes) „How to …“  

Almut und ich haben 2020 die christliche Gemeinschaft „Quellort Marienfließ“ gegründet, auf dem Gelände des fast 800 Jahre alten Evangelischen Stiftes Marienfließ in der Prignitz (Brandenburg). Dadurch ist dieser Ort heute dreierlei: geistliche Lebensgemeinschaft, Kloster und Stift. Die Gründung einer solchen Gemeinschaft auf dem Land mag manchen überraschen, doch die Mitglieder von „Quellort Marienfließ“ glauben fest daran, dass dieser Ansatz auch im 21. Jahrhundert als Form von Kirche auf dem Land relevant ist. Meine mit Augenzwinkern erstellte Checkliste soll euch einen kleinen Einblick geben in unseren Alltag. Vielleicht ermutigt sie euch sogar, ein eigenes christliches Gründungsprojekt anzugehen – mit Humor natürlich!

1. Betet und sucht nach eurem „heiligen Brunnen“

Ich hatte vorher von einem Brunnen geträumt – und dann haben wir ihn wirklich gefunden! Aber der Reihe nach: Bei der Suche nach einem geeigneten Ort für die Gemeinschaft war es uns wichtig, eine alte Kirche und einige Häuschen zu finden. Der Ort sollte eine spirituelle Atmosphäre ausstrahlen und Raum für gemeinsame Aktivitäten bieten. Almut und ich wurden ermutigt, uns einfach hinzusetzen, zu beten und abzuwarten, was geschehen würde. Wir vertrauten darauf, dass Gott uns an den richtigen Ort führen würde. Dann schauten wir uns das Stift Marienfließ an – und ich entdeckte dort den Brunnen, den ich vorher im Traum zusammen mit der biblischen Verheißung „Es sollen Ströme lebendigen Wassers fließen“ gesehen hatte! Wenn der HERR so deutlich spricht, sollte man sich nicht mit ihm anlegen!

Gemeinschaft gründen während „Corona“: Almut und ich nach unserer Ankunft 2020 am „Traum-Brunnen“.

2. Stellt euch mutig der „Wohnung des Grauens“ (und macht eine Party draus)

Ja, die einzige verfügbare Wohnung dort war katzenurinversifft. Wer weiß, was ihr an eurem „heiligen Ort“ vorfindet? Macht einfach das Beste daraus und veranstaltet eine „Wir-beseitigen-den-Katzenurin“-Party (Atemmasken und Gummihandschuhe werden gestellt)! Wir nahmen es sportlich und als Möglichkeit, dem Ort neues Leben einzuhauchen. Lasst euch nicht von Herausforderungen entmutigen, sondern findet einen Weg, um daraus ein unterhaltsames Abenteuer zu machen.

Die frühere „Wohnung des Grauens“ ist wirklich schön geworden!

3. „Ora et labora et lege“ – bete, arbeite, lies

Stellt sicher, dass ihr fleißig betet, arbeitet und in der Bibel lest. Aber vergesst nicht, auch genug Zeit für Kaffeepausen einzuplanen, denn Koffein ist der Treibstoff des Glaubens! Unsere Gemeinschaft jedenfalls hat sich zum Ziel gesetzt, das klösterliche Prinzip „Ora et labora et lege“ in die Praxis umzusetzen. Seit der Gründung haben wir hart daran gearbeitet, unser gemeinschaftliches Leben dementsprechend zu gestalten: Wir bemühen uns, einander zu unterstützen und den Menschen in der Prignitz zu dienen. Wir hoffen, durch unser Engagement einen positiven Einfluss auf unsere Umgebung auszuüben und ein Zeichen für den Glauben zu setzen. Wir beten auch gemeinsam: Jeder ist bei uns herzlich willkommen, einmal am Tag mit den anderen zusammenzukommen und für die Menschen in der Prignitz zu beten.

4. Zur Attraktion werden: ausstrahlen und anziehend sein

Wie geht Kirche auf dem Land im 21. Jahrhundert? Fragt euch, ob ihr die „Trendsetter des ländlichen Gemeindelebens“ sein könnt. Denkt daran ein Ort zu werden, der so attraktiv ist, dass die Leute die GPS-App benutzen, um euch zu finden! Ob ihr dafür euren Gemeindesaal mit Disko-Kugel und Konfetti-Kanone bewaffnet, bleibt euch überlassen. Aber wer kann schon einer Party widerstehen, bei der der Heilige Geist sich wohlfühlt? Wir wollen den Menschen einen Ort der Spiritualität bieten, der Gemeinschaft und des Dienstes und sind offen für alle, die daran interessiert sind, unabhängig von Alter, Hintergrund oder Glaubensrichtung.

5. Spaß haben und den Glauben genießen

Denkt daran, dass der Glaube nicht immer nur ernst sein muss. Bewaffnet euch im Sommer mit Wasserpistolen, so fließen die „Ströme lebendigen Wassers“ auf jeden Fall! Lasst euren Humor und eure Freude am Leben strahlen und zieht Menschen mit eurem Lachen an. Glaube darf auch Spaß machen – und: Eine christliche Gemeinschaft, die gemeinsam lacht, bleibt zusammen!

Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke begrüßt uns –
mitsamt Friedensglocke – 2020 in Marienfließ.

Wie geht es weiter? Unsere Vision „Marienfließ 2031“:

  • Die Gemeinschaft „Quellort Marienfließ“ ist gewachsen und zu einem Ort der christlichen Spiritualität, Gastfreundschaft und Inspiration für Menschen von Nah und Fern geworden: Sie bietet spirituelle Retreats, Seminare und Veranstaltungen an und ist Treffpunkt für alle Generationen aus Stepenitz und der Gemeinde Marienfließ geworden sowie für Menschen aus aller Welt.
  • Das Stift versorgt sich autark, nachhaltig und umweltfreundlich mit erneuerbaren Energien wie Solar-, Wasser- und Windkraft. Das hat auch andere Gemeinden inspiriert, ähnliche Wege einzuschlagen.
  • Das Stift trägt sich wirtschaftlich selbst und kann im Umfeld sogar andere unterstützen – durch kluge Ressourcenverwaltung, nachhaltige landwirtschaftliche Praktiken und die Förderung lokaler Initiativen.

Wir möchten ein Ort der Begegnung sein und des geistlichen Wachstums und gemeinsam eine nachhaltige und mitfühlende Zukunft gestalten!

Das Klostergartenhotel auf dem Gelände des Stifts Marienfließ.

alle Fotos: Stift Marienfließ 

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Kirche auf dem Land 
Begegnungen mit Gott und Geschichten
vom Reich Gottes, erlebt von Pfarrern und
Pfarrerinnen auf dem Land. 


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Helmut Kautz

Helmut Kautz ist Pfarrer im Kirchenkreis Prignitz (Brandenburg). Mit seiner Frau Almut leitet er das Ev. Klosterstift Marienfließ und tourt als Vorsitzender des Vereins „Friedensglocken“ mit Pferdewagen und Friedensglocke durch die Lande.

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