Kirchenvertreter und Beter aus neun Ländern haben mit Rabbinern und Lokalpolitikern der Auslöschung jüdischen Lebens in der Westukraine gedacht. Auch der Sohn eines Nazi-Massenmörders bekannte die Schuld seines Vaters. Hans-Joachim Scholz berichtet von bewegenden Momenten der jüngsten Gebetsreise.

Ein Zeichen für Befreiung und Neubeginn: Wieslav aus Tschechien und Sascha, Leiter der messianisch-jüdischen Gemeinde in Tscherniwzi, bliesen das Schofar am Holocaust-Gedenkort nahe Kostyntsi.
Kräftige Windböen erfassten uns und eine gewaltige schwarze Gewitterwolke rollte heran, als Esther alle 392 Namen der jüdischen Opfer verlas. Mitten in der Natur steht der Gedenkstein bei Kostyntsi in der Bukowina, der auf Initiative der messianisch-jüdischen Gemeinde in Tscherniwzi erneuert wurde, die Esther und Sascha leiten. Als sie endete, hatte sich der Wind gelegt, die Wolken waren vertrieben und nur über uns öffnete sich der Blick auf einen strahlend blauen Himmel. Was Gebet, was unser Schuldbekenntnis und Gottes Befreiung bewirken, davon berichtete Werner Oder: Als Sohn des SS-Offiziers und Massenmörders Wilhelm Oder waren seine Familie und sein Leben durch die nationalsozialistische Ideologie und deren Antisemitismus zerstört gewesen, doch er hatte die Sünde seines Vaters bekannt und durch Jesus Heilung empfangen und Liebe für die Juden. Seine Botschaft auf unserer Gebetsreise in die Ukraine vom 18. bis 25. August 2025: Frieden wird im Innen und Außen werden, wenn Menschen von ihren Sünden umkehren und Gottes auserwähltes Volk Israel segnen.

Der Oberrabbiner von Tscherniwzi, Schapsa Israilowitsch Aberuh, sprach am Gedenkort bei Kostyntsi (unweit der rumänischen Grenze). Honorarkonsuln aus Rumänien und Lettland waren zugegen, der Bürgermeister und Dorfbewohner, Geistliche und Pastoren aus katholischer, evangelischer und Pfingstkirche sowie Vertreter der messianisch-jüdischen Gemeinde.

Kostyntsi: Über die Konfessionen hinweg sind wir mit Rabbi Aberuh verbunden in der Trauer über die Opfer des Holocaust.

In der Synagoge von Iwano-Frankiwsk: Rabbi Moische Leib Kolesnik (Mitte, stehend) hatte uns eingeladen. Rechts neben ihm Sascha, Leiter der messianisch-jüdischen Gemeinde in Uschgorod.
Grenzen überwinden – zwischen Ländern, Konfessionen, Generationen
Unsere 40-köpfige Reisegruppe der GGE Deutschland und der Initiative „Toward Jerusalem Council II“ (TJCII) war bunt gemischt: Aus Österreich, der Schweiz, Deutschland, Großbritannien, Tschechien, der Slowakei, Litauen, Israel und der Ukraine waren wir in der Westukraine unterwegs – in Lwiw, Kolomea, Kostyntsi, Sabolotiw und Iwano-Frankiwsk, wo auch Werner Oders Vater am Massenmord an Juden beteiligt gewesen war. Geeint in der Anbetung, der Fürbitte, am Tisch des Herrn und im Segen, den wir anderen spendeten, durften wir als Katholiken, Lutheraner, Freikirchler, Pfingstler, Messianische Juden, Griechisch-Katholische und Ukrainisch-Orthodoxe echten Gefühlen und ernsthaften Gebeten Ausdruck verleihen und uns Juden in Demut und Liebe nähern.
An Orten des Gedenkens beteten wir Seite an Seite: gemeinsam mit den Rabbinern der Region und mit Vertretern aus Politik und Verwaltung. Pavol Strezo, Vizedirektor von TJCII Europa, und Werner Oder verließen die Gruppe kurz vor der Abreise, um am 25. August am nationalen Gebetsfrühstück mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in Kiew teilzunehmen.

Iwano-Frankiwsk: Wir feiern den Lobpreisgottesdienst in der griechisch-katholischen Kirche mit.

Am Denkmal für 35.000 ermordete Juden in Kolomea: mit Rabbi Kolesnik und dem griechisch-katholischen Bischof Vasyl Ivasyuk.

In diesem Wald bei Kolomea wurde einst ein Massaker an Juden verübt. Unter dem Kreuz vereint feierten griechisch-katholische und römisch-katholische Geistliche Gottesdienst mit evangelischen Pastoren.
In dieser Einheit wird der Leib Christi sichtbar
In Christus ist alles Trennende überwunden. Gemeinsam mit TJCII rufen wir uns oft die Vision vom geeinten Leib Christi in Erinnerung: „Denn Christus selbst brachte Frieden zwischen den Juden und den Menschen aus allen anderen Völkern, indem er uns zu einem einzigen Volk vereinte. Er hat die Mauer der Feindschaft, die uns früher trennte, niedergerissen“ (Epheserbrief, Kap. 2, V. 14). Auf dieser Gebetsreise waren wir als Leib Christi in Aktion sichtbar, der Sünde nicht nur bekannte, sondern sie auf die Schultern Jesu legte, der „das Lamm Gottes (ist), das die Sünde der Welt wegnimmt!“ (Johannesevangelium, Kap. 1, V. 29). Wir knieten vor dem Lamm Gottes – und vor unseren ukrainischen und jüdischen Brüdern und Schwestern – und vertrauten ihm die Heilung des Landes an. Wir glauben gemeinsam: Jesus wird die Ukraine heilen.
Für die nächste Gebetsreise in die Ukraine 2026 rufen wir katholische Geistliche, evangelische Pfarrer und Pfarrerinnen, freikirchliche Pastoren und Pastorinnen sowie Gebetsleiter wie -leiterinnen auf, sich uns anzuschließen. Melden Sie sich, meldet euch bei uns!
Infos und Kontakt:
Rita und Hans-Joachim Scholz
S’ Lamm – Versöhnungsdienste der GGE
Marktplatz 6, 75334 Straubenhardt-Feldrennach
E-Mail: pfrhjscholz53@gmail.com

In Lwiw am Tag vor der Abreise: Bombentrümmer mahnen in der griechisch-katholischen Kirche zum Gebet.

Lwiw: Am Unabhängigkeitstag der Ukraine (24. August) wird der im Krieg Gefallenen gedacht.
Die GGE-Versöhnungswege gehen weiter
Hinter den Versöhnungswegen stehen Rita und Hans-Joachim Scholz von „S‘ Lamm – Versöhnungsdienste der GGE“ und Pavol Strezo, Vizedirektor von TJCII Europa, aus der Slowakei. Gemeinsam haben sie bereits 2023 und 2024 Gebetsreisen in die Westukraine geleitet. 2023 hat der GGE-Blog zwischen 5. Februar und 11. Februar täglich berichtet. Parallel haben sie eine Gebets-Initiative gestartet.
Mit „S‘ Lamm“ führen Rita und Hans-Joachim Scholz die GGE-Versöhnungswege fort, die zwischen 1994 und 2015 in 23 Länder Europas gegangen wurden.