Der Ukraine beistehen – im Heute und Gestern

Neuer Versöhnungsweg im August: Hans Scholz vom GGE-Versöhnungsdienst „S‘ Lamm“ spricht über aktuelle Pläne und ein öffentliches Zeugnis für Gott.   

Auf der Kundgebung „Stand with Ukraine" am 25.2.24 in Baden-Baden.
Auf der Kundgebung „Stand with Ukraine“ am 25.2.24 in Baden-Baden.

Der Kriegsbeginn vor zwei Jahren war am vergangenen Sonntag (25. Februar) Anlass für eine große Kundgebung „Stand with Ukraine“ (dt. „Steht der Ukraine bei“) in Baden-Baden.

Wir hatten dort Gelegenheit zu berichten, was wir mit dem GGE-Versöhnungsdienst „S‘ Lamm“ in der Ukraine und zuhause erleben und was wir 2024 planen.

Gott spricht ganz direkt!

Wie konkret Gott spricht, konnte ich in Baden-Baden erzählen: Ende Januar hatte unser Pfarrer in Straubenhardt-Feldrennach (Schwarzwald) ukrainische Geflüchtete zu Essen und Gemeinschaft eingeladen und mich gebeten, ein paar Bilder von unseren Aktionen in der Ukraine zu zeigen. „Gott ist hier bei uns und er ist dort in eurer Heimat, bei denen, die zurückbleiben mussten“, sagte ich zu den rund 40 Anwesenden. Unser Gottvertrauen verbindet uns. Dann zeigte ich Bilder von einem Hilfstransport unserer Freunde Miroslav (aus Uschgorod) und Josef in die Gegend von Saporischschja: zwei Sprinter voll mit Lebensmittelpaketen und schön verpackten Schachteln mit Überraschungen für Kinder. Es waren irgendwelche Bilder, von irgendwo, nur ein paar Tage alt. Auf dem nächsten Bild ein Gruppenfoto vor den großen Lettern„Orichiwskij“. Da schrie eine Frau: „Da komm‘ ich her!“ – „Wirklich?“ – „Ja!“ Auf dem nächsten Bild eine Straße. Rief eine andere: „Das ist meine Straße!“

Nächstes Bild: ein Haus. „Das ist meine Schule!“ Das nächste Bild: drei ausgebrannte Wohnblocks. Stand eine junge Mutter auf: „Da ist unsere Wohnung“ und sie zeigte sie an der Leinwand …

Was für eine besondere Ermutigung zum Gottvertrauen in diesen schwierigen Zeiten! Miroslav verteilte 2500 Kilometer entfernt Hilfsgüter an die Nachbarn unserer Flüchtlinge in Straubenhardt und sie erfuhren es als besondere Überraschung vom Himmel! Wir wissen oft nicht, was unsere Gebete ausrichten, wann und wie Gott hört. Es passiert jedoch viel mehr, als wir uns vorstellen. (Und vermutlich passiert vieles nicht, weil wir Gott keine Hilfe zutrauen.)

Was Beistand für uns heißt

„Stand with Ukraine“ heißt für uns als Christen in der GGE, den Ukrainern beizustehen gegen Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit, Bitterkeit und Hass. Vor einem Jahr waren wir mit „S‘ Lamm“ eine Woche in der Westukraine unterwegs (und haben täglich hier berichtet), dann im vergangenen April samt Posaunenchor und drei Monate später noch einmal. Ein Priester sagte uns: „Wir erleben eine Feindschaft, die alle schlechten Gefühle und Gedanken auslöst, die ein Mensch haben kann.“ In Uschgorod sprachen wir vor einem Jahr mit dem Priester Serhij. Er entschied sich, als Militärkaplan an die Front zu gehen. Er ist 36, hat einen achtjährigen Sohn. „Ich will meine Kameraden nicht allein lassen.“ Drei Wochen später schickte er mir Bilder, wie er im Schützengraben Messe feierte: „Christus für dich gegeben“, sagt er dann, und verteilt die Hostie. Die Soldaten kommen gerade vom Einsatz. Nachher müssen sie wieder raus, schießen.

„Christus, Lamm Gottes, Du nimmst hinweg die Sünden der Welt!“ Das dürfte der weltweit bekannteste Satz aus der Liturgie des Abendmahls oder der Eucharistie sein. Nur er, das Lamm Gottes, ist fähig, unsere Sünden von uns zu nehmen. Ihm trauen wir es zu. Von ihm erwarten wir es. Ihn bitten wir: Stand with Ukraine! Wir stehen vor Gott, um ihm unsere Sünden und die Sünden dieser Welt zu bekennen. Auszusprechen, was uns solch unsägliches Leid verursacht: Geldgier und Habgier, Neid, Machtstreben, Verachtung der anderen, Lügen und Betrug, Mord und Terror.

Marder, Fuchs, Leopard sind in diesem Krieg unverzichtbar. Aber ist es zu hoch gegriffen zu erwarten, dass das Lamm Gottes zum „Game Changer“ wird?

Ein neuer Versöhnungsweg im August

Erst vor knapp einer Woche bin ich erneut aus der Ukraine zurückgekommen. Mit meinen beiden Freunden aus der Slowakei und aus Tschechien, Pavol Strezo und Wieslaw Chmiel, haben wir in Uschgorod, Iwano-Frankiwsk, Sabolotiw, Kamjanez-Podilskyj und Mukatschewo Pfarrer, Pastoren, Priester, zwei Bischöfe, zwei Rabbis und zwei Bürgermeister getroffen, um einen Versöhnungsweg im August mit öffentlichen Bußgottesdiensten vorzubereiten. Ziel ist, unsere ukrainischen Partner zu ermutigen, dem Lamm Gottes zu vertrauen, dass es die Sünden unserer Welt hinwegnimmt.

Vom 20.-28.8.2024 planen wir einen Weg der Versöhnung und Heilung auf den Spuren der 1941 aus der Slowakei und Ungarn nach Kamjanez-Podilskyj deportierten und dort ermordeten 23.600 Juden: von Šahy (Slowakei) über Budapest nach Uschgorod, Kolomea, Sabolotiw bis Kamjanez-Podilskyj. Wir, das sind Leiter der Initiative „Toward Jerusalem Council II“ aus Polen, Tschechien, der Slowakei, Ungarn, der Ukraine – und aus Deutschland meine Frau Rita und ich von „S’ Lamm – Versöhnungsdienste der GGE“. Wir werden denselben Weg gehen, auf dem die Juden von deutschen Truppen zu ihrer Erschießung getrieben wurden.

Massendeportationen und -morde vor 80 Jahren

Das „Massaker von Kamjanez“ jährt sich 2024 zum 83. Mal. Jedoch wollten dann die Nazis 1944 die Leichen ausgraben und verbrennen, um die Spuren zu  beseitigen! Pastor Vladimir, Leiter des geistlichen Zentrums in Kamjanez-Podilskyj, sagte uns: „Ihr seid gekommen, damit wir nicht vergessen. Auch wenn das Böse triumphieren und ungestraft bleiben mag, hat doch Gott immer das letzte Wort, und das gibt Hoffnung angesichts des russisch-ukrainischen Krieges und der Verbrechen gegen die Menschheit und unser Volk.“

Der Rückweg nach Budapest führte uns über Mukatschewo, von wo 1944 28.000 jüdische Menschen nach Auschwitz deportiert wurden. Pavol und ich werden am 18. Mai, dem 80. Jahrestag der Deportation, auch dorthin fahren.

Bitte unterstützt uns im Gebet, 
damit die Vorbereitungen gelingen und die Gedenkveranstaltung im Mai in Mukatschewo und der Versöhnungsweg vom 20.-28. August wie geplant stattfinden können.

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Hans-Joachim Scholz

Hans-Joachim Scholz ist Pfarrer in der badischen Landeskirche und seit Kurzem im Ruhestand. Er und seine Frau Rita leiten den GGE-Dienst „Kirche und Israel“, weil beides für sie unbedingt zusammengehört.

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