GGE-Blog Ukraine, Teil 3: Zwischen Essensrationen hört das Ukraine-Team bewegende persönliche Geschichten. Sie stoßen auf eine Spur der Shoah. Hans-Joachim Scholz berichtet vom ersten Tag nach der Ankunft.
Hans-Joachim Scholz ist seit Sonntag mit einer kleinen Delegation im Westen der Ukraine in der Region Uzhgorod (sprich „Uschgorod“) unterwegs und berichtet diese Woche täglich auf dem Blog. Mit ihm reisen Alfred Schuster, Michael Prinz zu Salm-Salm und Pavol Strezo aus der Slowakei.
Dahinter steht der mit seiner Frau Rita gegründete GGE-Versöhnungsdienst „S’ Lamm“. Parallel starten sie eine Gebets-Initiative für die Ukraine, ihre Nachbarländer und Deutschland.
Dienstag, 7.2.2023. Wir lernen Schicksale und freundliche Helfer kennen.
Der herzliche Empfang am Abend unserer Ankunft seitens der beiden Leiter der Adventgemeinde wurde gestern Vormittag nochmals unterstrichen durch eine Führung in ihrem Gemeindehaus, das täglich zur Verteilung von Lebensmitteln dient. Ein Team von Verantwortlichen portioniert und richtet persönlich bestellte Pakete. Punkt 10 Uhr stehen täglich Bedürftige vor der Tür, 700 Menschen pro Tag. Die freundliche Art der Helfer hat uns sehr beeindruckt.
Gestern um 11 Uhr wurden wir bereits bei der Nehemia-Initiative erwartet. 90 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen tragen im Sinne des Montessori-Konzepts Verantwortung für Erziehung und Bildung und die Fürsorge für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Darunter sind zurzeit mehr als die Hälfte Binnenflüchtlinge – wie zum Beispiel Lena aus Saporischschja, die mit ihrer Mutter, ihrer Tochter und zwei Enkeln hier Zuflucht gefunden hat. Sie ist Professorin für Psychologie und arbeitet inzwischen bei der Betreuung anderer Flüchtlinge mit.
Olena ist Witwe, ihr Mann fiel im Osten des Landes. Auch sie ist mittlerweile als Betreuerin engagiert.
Andrij war beim Flughafen in der Flugüberwachung tätig. Er wurde arbeitslos und ist in der Stadt und im Umland unterwegs in der Fürsorge für in besondere Not geratene Menschen.
In den ersten vier Monaten des Krieges hat die Nehemia-Initiative etwas mehr als 200 Flüchtlinge in den Häusern und auf dem Gelände untergebracht und versorgt.
Eine Spur der Shoah: Wir bekennen Schuld und bitten um Gnade.
Am Nachmittag um 15 Uhr waren wir mit den Leitern der drei messianischen Gemeinden und weiteren Verantwortlichen verabredet. Im Zentrum der Stadt, nahe dem Bahnhof, steht ein kaum ins Auge fallender schwarzer Stein mit den Worten „pamjat“ (ukrainisch), „Denkmal“, und „nizkor“ in hebräischen Buchstaben, das heißt „gedenkt“.
Woran? Daran, dass von hier aus 1941 etwa 40.000 ortsfremde Juden deportiert und in der westukrainischen Stadt Kamjanez-Podilskyj umgebracht wurden; die einheimischen Juden wurden erst drei Jahre später hauptsächlich vom Nachbarort Mukatschewo nach Auschwitz gebracht.
Miteinander haben wir uns darauf besonnen, dass sich auch heute noch jeder Jude dessen bewusst ist: Er wäre auch dabei gewesen, hätte er damals gelebt. Darum haben wir uns als Nicht-Juden im Gebet vor dem Gott Israels, unserem Vater im Himmel, gemeinsam zu seinem geliebten Volk bekannt: „Wir waren nicht in Auschwitz mit euch, aber wir stehen zu euch heute und für immer! Wir bekennen die Schuld unserer Väter, wir Deutschen und auch wir Ukrainer und Slowaken, und vertrauen, dass das Lamm Gottes unsere Sünden hinwegnimmt und dem Land Heilung bringt.“
Unsere ukrainischen und slowakischen Geschwister wurden nicht müde zu betonen, dass doch noch so viele Orte in ihrem Land niemals Worte der Reue und Bitten um Gottes Gnade gehört haben, geschweige denn Zusagen der Erlösung.
Mit den Worten von Fürst Albrecht zu Castell-Castell: „Die Versöhnungswege gehen weiter!“
Sie sehen Kamjanez-Podilskyj als eins unserer nächsten Ziele …
Sie sind voller Sehnsucht nach Gemeinschaft mit uns auf diesem Weg und fragen:
„Kommt ihr wieder?“
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